Geschichte der Künstlerkolonie Kronberg

Die Malerkolonie Kronberg gehört zu den bedeutenden deutschen Künstlerkolonien des 19. Jahr-hunderts. Insgesamt 100 Künstler arbeiteten über die Jahre hinweg in der Malerkolonie Kronberg, darunter so bekannte Namen wie Wilhelm Trübner, Jakob Fürchtegott Dielmann, Hans Thoma oder Carl Morgenstern.

Mit der Festansiedlung Anton Burgers in Kronberg 1858 vor mehr als 150 Jahren verbindet sich heute die Gründung der Kronberger Künstlerkolonie. Die Fluktuation in der Künstlerkolonie glich zeitweilig einem florierenden Kunsttourismus unserer Tage.

Das Entstehen der Künstlerkolonie

Die Geschichte der Künstlerkolonie Kronberg ist eng verknüpft mit der nahegelegenen Großstadt Frankfurt, wo viele der Künstler, die wir heute zur Kolonie zählen, geboren wurden. Hier sind Anton Burger, Philipp Rumpf, Karl Theodor Reiffenstein oder Otto Scholderer ebenso zu nennen wie Heinrich Hasselhorst oder Adolf Hoeffler. Neben dem Geburtsort verbindet diese Künstler aber vor allem das gemeinsame Studium in Frankfurt bei Jakob Becker, der von 1842 bis 1872 den Lehrstuhl für Genre- und Landschaftsmalerei am Städelschen Kunstinstitut inne hatte.

Durch die (mitunter auch nur vorübergehende) Verlagerung ihres Wohn- und Lebensmittelpunkts in die ländliche Umgebung des Taunusdorfes reagierten die Künstler auf die zunehmende Industrialisierung und technisierte Großstadtkultur. Bereits in den 1840er Jahren zog es Anton Burger, dem bedeutendsten der Kronberger Maler, erstmals in den Taunus, um in der freien Natur zu malen. Durch die Annäherung an ursprüngliche Lebensformen suchten die Künstler den Gegensatz zwischen Kunst und Leben zu überwinden.

Das Ländliche diente ihnen hierbei als Projektionsraum einer als noch intakt und unverfälscht empfundenen „heilen“ Welt. In der Konzentration auf die Landschaft fanden sie zu Verinnerlichung, Ruhe und Erfahrung einer elementaren Wirklichkeit. Dabei ging es ihnen nicht um die möglichst naturgetreue Wiedergabe des Gesehenen: Die einmal gefundenen, häufig einfachen Motive dienten vielmehr als Folie persönlichen Erlebens einer Wirklichkeit, die sie in malerischen Stimmungswerten einfingen.

Die deutliche Abkehr Anton Burgers und seiner Künstlerkollegen von den erstarrten Traditionen und Lehrformen der Akademien zeigte sich in ihren Bildern vor allem in dem Verzicht auf durchkomponierte Landschaften, die durch allegorische Zutaten oder historische Bezüge überhöht wurden. Fortan sollten die urtümliche Landschaft und das dörfliche Ambiente die Motive der Historienmalerei ersetzen.

Seit den Anfängen kam dem Gasthof „Zum Adler“ in Kronberg eine besondere Rolle zu. Er bot den Ankömmlingen nicht nur Unterkunft und Verpflegung, er diente auch als Begegnungsstätte für die Künstler. Beim Adlerwirt Renker kehrten sie ein, feierten manch eines ihrer legendären Künstlerfeste und tauschten sich über künstlerische Fragen aus.

Impulse aus Frankreich und den Niederlanden

Wichtige Impulse erhielten die Kronberger Künstler aus Frankreich und den Niederlanden. Bereits um 1820 entwickelte der französische Kunsttheoretiker und Landschaftsmaler Pierre-Henri de Valenciennes erste Ansätze für eine Neubewertung der Landschaftsmalerei. Vorbildfunktion kam hierbei der um 1830 von Theodore Rousseau und Charles Daubigny gegründeten Schule von Barbizon zu.

Es handelte sich dabei um eine Gruppe französischer Künstler, die im Wald von Fontainebleau unweit von Paris in der freien Natur malten. Sie galten als Erfinder der sogenannten „paysage intime“ einer aus der unmittelbaren Naturanschauung erwachsenen realistischen Landschaftsmalerei, die bewusst sowohl die komponierte Ideallandschaft als auch die heroische Romantik von einst ablehnte. Die unverfälschte Natur galt ihnen als Symbol für die künstlerische Freiheit gegen die akademischen Zwänge.

Carl Peter Burnitz reiste 1851 nach Paris und knüpfte enge Kontakte zur Schule von Barbizon, die sich in seinen schlichten, in silbrig-grünes Licht getauchten Landschaftsmotiven niederschlug. 1852 wurde für Anton Burger die Reise nach Paris und die Begegnung mit Gustave Courbet zu einem einschneidenden Erlebnis.

Die Wiedergabe unmittelbar erfahrener Natureindrücke und schlichter Motive aus der heimatlichen Umgebung waren zugleich eine Rückbesinnung auf die Errungenschaften der niederländischen Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts, die sich vor allem bei Burger einprägte. Die Merkmale etwa eines niedrigen Horizonts oder topographischer Genauigkeit waren zwar immer noch von Bedeutung, doch traten sie hinter Aspekten wie dem Einfall des Sonnenlichts oder dem Einwirken von Naturgewalten zurück.

Bei den Burgerschülern Nelson Kinsley, Philipp Franck und Fritz Wucherer fanden schließlich zunehmend impressionistische Tendenzen Einzug in die Kronberger Malerei

Von der ländlichen Idylle zum noblen Villenort

Doch wie in vielen anderen Künstlerorten, so ließ sich auch in Kronberg der Fortschritt nicht aufhalten. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts entdeckten wohlhabende Frankfurter Bürger das Taunusstädtchen als Erholungs- und Ferienort und erbauten sich an den schönsten Stellen repräsentative Sommervillen. Und nachdem Kronberg nicht nur einen inoffiziellen König, nämlich den Malerkönig Anton Burger, hatte, sondern sich mit Victoria von Preußen eine echte Kaiserin hier nieder ließ, war es mit der romantischen Abgeschiedenheit und dem ländlichen Frieden auch für die hier ansässigen Maler vorbei.

Von Kaiserin Friedrich, der Witwe Kaiser Friedrichs III., erfuhr die Stadtentwicklung wesentliche Impulse. Sie ließ sich 1888 in Kronberg in unmittelbarer Nachbarschaft von Schönberg nieder und erwarb das Anwesen des Frankfurter Bankiers Jaques Reiß, die sogenannte Villa Schönbusch, und ließ dort mit Hilfe des Architekten Ernst Eberhard von 1889 – 1894 das Schloss Friedrichshof als ihren Witwensitz errichten.

Von dem Kunstsinn der Kaiserin kann sich der Besucher heute noch in dem seit 1945 als Hotel genutzten Prachtbau überzeugen, der einst ein eigenes Atelier der Kaiserin beherbergte. „Wenn ich von Beruf nicht Kronprinzessin sein müsste, so wäre ich Malerin“ soll sie einmal geäußert haben.

Zu dem Zurück-zur-Natur Aspekt gesellte sich nunmehr eine gesellschaftlich ausgerichtete Künstlerschaft, die wie Norbert Schrödl oder Ferdinand Brütt von Hause aus wohlhabend waren, und die in engem Kontakt zur Kaiserin standen. Sie wandten sich in erster Linie der Porträt- und Historienmalerei gesellschaftlicher Ereignisse zu

Auflösung der Kolonie

Mit dem Triumph des Impressionismus in Deutschland löste sich die Künstlerkolonie allmählich auf. Hatte der Zuwachs der Malerkolonie bereits nach dem Tode Anton Burgers 1905 stark abgenommen, konnte auch die junge Künstlergeneration Nelson Gray Kinsley, Philipp Franck und Fritz Wucherer trotz der Aufnahme impressionistischer Tendenzen in ihre Malerei die Kolonie nicht wieder beleben.

1948 starben mit Fritz Wucherer und Emil Rumpf die letzten offiziellen Vertreter der Kronberger Malerkolonie

Villa Winter

Die ehemalige Künstlervilla des Kronberger Kolonisten Heinrich Winter, direkt am Berliner Platz gelegen, beherbergt die Sammlung der Stiftung Kronberger Malerkolonie. Das neue Domizil bietet mit über 350 qm Ausstellungsfläche mehr Raum für die Präsentation der umfangreichen Gemäldesammlung sowie einen neuen Werkraum für die Museumspädagogik.

Ihren heutigen Namen erhielt die Villa durch den Maler Heinrich Winter (1843-1911), einem Mitglied der Kronberger Künstlerkolonie. 1874 heiratete Winter die Bankierstochter Johanna Müller (1855-1930) aus Frankfurt und lebte mit ihr in diesem Gebäude bis zu seinem Lebensende 1911. Ursprünglich stand die um 1810 erbaute Villa in Frankfurt am Main in der Neue Mainzer Straße Nr. 13.

Im Jahr 1870 musste das Haus einem Durchbruch zur Kaiserstraße weichen und der Bankier H. Carl W. Müller verkaufte sein Grundstück an die Stadt Frankfurt. Das repräsentative Bürgerhaus hingegen wurde zerlegt und in Teilen nach Kronberg transportiert, um es hier vor den Toren der Altstadt auf einem ehemals parkähnlichen Anwesen wieder aufzubauen.

1935 erwarb es die Stadt Kronberg und beherbergte hier von 1939 bis 1977 die Höhere Schule. 2002 wurde das Haus weitgehend entkernt, zum Jugendzentrum umgebaut und bis Ende 2011 als solches genutzt. Danach diente es verschiedenen Nutzungen, wurde saniert und im April 2018 als Kunstmuseum wieder eröffnet.